Erst­be­steigungs­bericht

Cre­ated on Monday, 25 April 2016 Writ­ten by Markus

Ich staunte nicht schlecht, als ich kürz­lich auf die ori­ginale Bes­chreibung der Monte Buckland-​Erstbesteigung stieß, welche dam­als am 19.02.1966 in der itali­en­is­chen Tageszei­tung Cor­ri­ere della Sera erschien. Der Artikel stammt von Giuseppe Pirovano, einem der Prot­ag­on­isten der Exped­i­tion, welcher nur einen Tag zuvor zusam­men mit Guido Machetto aus Feuer­land zurück­gekehrt war, während die anderen vier Exped­i­tion­steil­nehmer im Anschluss noch am Acon­cagua unter­wegs waren. Der Bericht wurde zudem unter dem Titel Pirovano narra la scal­ata del Cervino della Terra del Fuoco (dt. Pirovano erzählt die Besteigung des Mat­ter­horns von Feuer­land) im Sam­mel­band I fuori­legge della montagna ver­öf­fent­licht (Dino Buzzati, Mondadori 2013).

Hier der leicht gekürzte Bericht (über­setzt aus dem Italienischen):

„Am 5. Feb­ruar beschlossen wir vom Basisla­ger am Meer ins Hoch­la­ger auf ca. 500 m Höhe aufzusteigen. Dort kamen wir gegen 6 Uhr abends an. Ich muss zugeben, dass ich mich – so schwer bepackt wie ich war – an diesem Tag nicht beson­ders gut gefühlt habe, aber Stück für Stück das es aufwärts ging, lief es besser. Der Wecker für den näch­sten Mor­gen war auf 3:30 Uhr ges­tellt, doch um diese Uhrzeit stürmte es draußen gewaltig. Wir mussten noch bis 5 Uhr warten, bevor es los­ging. Wir zogen uns die Steigeisen und unsere gel­ben Wet­ter­an­züge an, und marschier­ten los. Ich habe mich am Anfang etwas fehl am Platz gefühlt, da die anderen Jungs ja so viel jünger als ich waren [Anm.: Pirovano war immer­hin 58 Jahre alt]. Doch schnell fand ich meine Motiv­a­tion wieder, welche mir meine Aufgabe nun abver­langte. Wie so oft hier im Süden war der Him­mel bedeckt, der Wind pfiff und die Sicht war einges­chränkt. Zun­ächst ging es über Ger­öll, später einen immer steiler und sch­maler wer­denden Eis­sch­lauch hin­auf, welcher uns mit einer finsteren und wilden Atmo­sphäre umgab. Mich erin­nerte dieser Eis­sch­lauch an jenen in der Nor­dost­wand des Eigers. Zum Glück haben Alippi, Fer­rari und Giudici diesen let­zten, 300 m lan­gen schwi­eri­gen Abschnitt des Couloirs drei Tage zuvor bereits mit Fix­sei­len verse­hen. Wir waren in drei Seilschaften unter­wegs: die erste mit den beiden Jüng­sten, Giudici und Fer­rari, gefolgt von Alippi und Mauri (dem uner­müd­lichen Foto­graf), und als let­zte kamen Machetto und ich.

Nach 4 Stun­den erreichten wir den Col [Anm.: später als Col dei Ragni bezeich­net], welche die Spitze des Buck­land von einem etwas niedrig­eren Vor­gip­fel trennt. Die Luft wurde düsterer, wir waren nur noch wie Schat­ten. Nach dem Sat­tel ver­lief der Anstieg über eine Serie von Ser­acs und Eis­buck­eln bis hin zu einem unüber­wind­baren Bergschrund.

Aber da rechts gab es viel­leicht einen Aus­weg: Giudici hatte bereits mit viel Schwung den ersten Fix­punkt im Eis gesetzt. Dies war eine sehr schwi­erige Schlüs­sel­stelle, welche zu über­winden weit­ere vier Eishaken benötigte. Giudici kon­nte sich schließ­lich auf eine Art Grat hin­aufziehen. Die Eishänge zogen weiter aufwärts, und wir erschienen wie Eis­statuen, die sich nur müh­sam weiter bewegten. Es war nun bereits gegen zwei Uhr nachmit­tags. Ein­ige Zeit später trafen wir auf eine weit­ere Spalte. Ist der Gip­fel schon nahe? Alippi und Mauri haben bereits die näch­ste Steil­stufe in Angriff gen­om­men. Im Sturm war­teten wir auf eine Nachricht von oben, und während­dessen begann ich mit dem Pickel eine kleine Schnee­höhle zu graben. Man weiß ja nie, im schlimmsten Fall kön­nte man hier biwakieren.

Fer­rari und Giudici wur­den ungeduldig und ver­schwanden eben­falls im Nebel. Doch kurz darauf sah ich sie wieder auftauchen: Alippi wurde von einem unüber­wind­baren Eisüber­hang gestoppt, weiter rechts kön­nte es aber besser aus­se­hen. Ich kam mit Machetto nach. Es fol­gten zwei sehr steile 40 m Län­gen, welche an den Fuß der Gip­fel­wechte führten. Hier fand ich einen Eishaken von Giudici. Die Gip­fel­wechte direkt anzuge­hen wäre absurd gewesen. Deshalb tra­ver­sier­ten wir unter dem Über­hang hindurch nach rechts, wo es etwas leichter aus­sah. Nun führte Machetto unsere Seilschaft. Hinter uns Alippi und Mauri, welche am Eishaken stehen blieben und uns zurufen „höher, tiefer“, um uns die besten Tritte zu zei­gen. Schließ­lich schaffte auch ich es, von Machetto gesich­ert, die Wechte zu über­winden und aus der Süd­wand aus­zusteigen. Ich ging nun immer schneller, wie als wenn meine Füße Flü­gel hät­ten. Wir waren am Gipfel!

Wir haben fast zwölf Stun­den geb­raucht für unseren Auf­stieg, und noch­mal vier für den Abstieg. Die steil­sten Abschnitte seil­ten wir uns mit dem Dop­pel­seil ab. Der Wind und das Eis nah­men kein Ende. Gegen neun, mit dem let­zten Licht der Däm­mer­ung, erreichten wir wieder unser Hoch­la­ger. Wir legten unsere Steigeisen ab und umarmten uns. Der Herr hatte es gut mit uns gemeint.“

Ent­ge­gen dieser off­iz­i­el­len Darstel­lung von Pirovano ver­sich­erte mir Cesare Giudici in einem per­sön­lichen Gespräch 2012 jedoch, dass nur die Seilschaft Giudici/​Ferrari den höch­sten Punkt des Buck­land erreichte, und die anderen zwei Seilschaften etwas unter­halb des extrem steilen let­zten Auf­schwunges warteten.


 

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