Mit der heutigen Nachricht von André und Dani, dass sie ihren Flug in Santiago verpasst haben, da es Probleme mit dem Gepäck gab, verzögert sich möglicherweise unser Zeitplan. Noch gibt es Hoffnung, dass wir in wenigen Stunden gegen 6 Uhr Richtung Feuerland aufbrechen können, aber Sicherheit werden wir erst mit der Ankunft der beiden Nachzügler haben. Vielleicht ein guter Zeitpunkt nochmals über das Vorhaben „Monte Buckland“ nachzudenken. In unserem Fall geht es um die Sinnhaftigkeit des Kletterns in abgelegenen, vielleicht sogar unerforschten Gebieten und dem damit verbundenen Aufwand. Der erwähnte, gut 50 kg schwere Lebensmittelvorrat für das Basislager und die gut 50 kg Müsliriegel und Fertiggerichte für die Hochlager lassen sich bei einem Ziel wie dem Buckland anhand des Energiebedarfes bestimmen und rechtfertigen — schließlich wollen wir zwar nicht gut genährt aber dennoch aus eigenen Kräften in die Zivilisation zurückkehren. Auch der Aufwand den wir für die Permits und die Absicherung hinsichtlich einer möglichen Rettung unternommen haben steht bei einer derartigen Expedition außer Frage. Nur mit FRED habe ich so meine Probleme! FRED haben wir als neues Mitglied gestern eher missmutig ins Team aufgenommen. Noch ist er etwas kühl und zurückhaltend — er spricht nicht viel. Dies wird sich leider sehr schnell ändern, sobald er erst einmal auf Touren gekommen ist. FRED ist unser Benzin-Generator. Noch vor wenigen Wochen wäre wohl niemand von uns auch nur im Leisesten auf die Idee gekommen ein derartiges, 12 kg schweres Monstrum am Ende der Welt durch die Wildnis schleppen zu wollen. Habe ich nicht erst vor wenigen Tagen im Buch eines guten Freundes von dem Gefühl der Freiheit und Ursprünglichkeit gelesen, das ihn fern ab der Zivilisation, fern ab von jeglichen Hightech-Spielereien beim Bergsteigen umgibt. Und dann gewähren wir FRED einen Platz in unserem Team… |
Die Assoziation zu Maestri’s Kompressor, der noch heute in der Wand eines der genialsten Felstürme Patagoniens verweilt, ist zudem nicht von der Hand zu weisen. Im Gegensatz zu ihm, planen wir unsere Besteigungen jedoch im Alpinstil und werden so wenig wie möglich Spuren am Berg zurücklassen. Aber wie steht es nun um FRED, für dessen Name übrigens auch eine Langform existiert: Fucking Ridiculous Expedition Device. Wir brauchen ihn als eine Art Versicherung. Anhaltend schlechtes Wetter bedeutet den Ausfall der Solarenergie und ohne Strom sind wir aufgeschmissen. Kaum vorstellbar, aber unsere Entscheidung, die Expedition zu dokumentieren und filmisch zu begleiten zieht immer größere Kreise. Die mögliche Alternative zum Generator wären Autobatterien, doch die Energiedichte selbst der besten Akkus ist immernoch um ein Vielfaches schlechter als die von Benzin, zumal ein Wiederaufladen ohne Sonne ebenfalls nicht möglich ist. Betrachten wir FRED also in den kommenden Tagen als Gast im Team, der seine Bewährungsprobe noch vor sich hat. |
Nachdem wir vor einigen Tagen ohne Einkaufsliste im Supermarkt in der Zona Franca vor den riesigen Regalen standen, mussten wir nach wenigen Minuten des Diskutierens und Beratschlagens das Unternehmen „Einkauf“ für’s Erste abbrechen. Wer kommt auch auf die Idee, die gesamten Lebensmittel für knapp 4 Wochen für ein 7-köpfiges Team mal schnell an einem Nachmittag zu organisieren? Nicht, dass wir uns mit dem Thema nicht beschäftigt hätten, ganz im Gegenteil. Über mehrere Wochen wurde die Planung der notwendigen Kilokalorien vorangetrieben, nur um im entscheidenden Moment die Liste zu vergessen;) Nach den beschriebenen Anlaufschwierigkeiten konnten wir nun gestern im zweiten Versuch das Thema der Lebensmittelbeschaffung erfolgreich abschließen. |
Berauscht von den Unmengen an unterschiedlichen Sorten von Keksen und Schokis füllten sich die Körbe in kürzester Zeit. Besonders die hier bekannten Tütchen Getränkepulver (Zuko), die dem kühlen Gebirgswasser eine angenehm fruchtige Note geben sollen und die es in aberwitzig vielen Geschmacksrichtungen gibt, wurden in rauhen Mengen in die Wagen befördert. Dazu ist zu erwähnen, dass die Kassiererin beim Scannen der 150 Tüten fast dem Wahnsinn verfallen wäre — selbst das anfängliche Lächeln schwand langsam von ihren Lippen. Zu guter Letzt wurde der riesige Sack Lebensmittel ins Auto gehieft und ins Hostel verfrachtet. Hier liegen nun die Haferflocken, Nudeln und Kekse, im Raum verteilt, und warten auf ihre Bestimmung — verpackt, transportiert, herumgeschleppt und aufgefuttert zu werden! |
Ein paar Tage haben wir nun schon in unserem recht gemütlichen Hostel verbracht, das gleichzeitig ein Kulturzentrum ist, in dem es Märchenaufführungen, Yogakurse und eine kleine Kletterwand gibt. Aber vor allem die Sonnenterrasse hat es uns angetan. Genauer gesagt ist es eine Art Wintergarten mit Ausblick auf die Magellanstraße, in dem es, sobald die Sonne scheint, wunderbar warm bis hin zu unerträglich heiß wird, der sich aber bei Regen in eine Tropfsteinhöhle verwandelt — Dichtigkeit scheint hier keine notwendige Eigenschaft von Dächern zu sein. Mittlerweile kennen wir aber die betreffenden undichten Stellen und zumindest die Hängematte bleibt in jedem Fall trocken. Besonders lange dauert so ein Schauer auch nicht an, Wechselhaftigkeit ist ein hervorstechendes Merkmal des hiesigen Wetters, was das Klima auf der Sonnenterrasse insgesamt sehr erträglich macht. Alles in allem fühlen wir uns hier sehr wohl und können unsere Unterkunft auf jeden Fall weiterempfehlen. |
Wir haben aber die letzten Tage nicht nur gefaulenzt, obwohl diese Beschäftigung zugegebenermaßen schon einen großen Teil der Zeit eingenommen hat — nennen wir es einfach Akklimatisierung. Nein, Spaß beiseite, es gab auch schon einiges zu organisieren. Zum Beispiel benötigen wir, um an den Monte Buckland fahren zu können, die Erlaubnis von verschiedenen chilenischen Behörden — zum einen von der Grenzbehörde (DIFROL), weil es sich um Grenzgebiet zu Argentinien handelt, und zum anderen von der Naturschutzbehörde (CONAF), weil unser Berg im Nationalpark de Agostini liegt. Obwohl Knox schon vor etwa drei Monaten die ganze Sache angeschoben hatte, bedurfte es unserer persönlichen Anwesenheit um den Vorgang endlich in die entscheidende Phase zu bringen. Außerdem galt es einen Stapel Grußpostkarten mit unserem Signum zu versehen. Wir bildeten dazu eine Art Zirkel und ließen die Karten untereinander mit der größtmöglichen Geschwindigkeit kreiseln. Es wollte sich natrülich keiner die Blöße geben einen Stau zu verursachen, wobei ich mit meinem Namen definitiv benachteiligt war. Jetzt gilt es nur noch in Punta Arenas genügend Briefmarken aufzutreiben, denn das hiesige Postamt haben wir schon um alle Briefmarken-Vorräte erleichtert. Wer uns noch unterstützen und dafür eine Postkarte vom anderen Ende der Welt (also von euch aus gesehen) bekommen möchte, der hat übrigens noch bis 10.02. die Gelegenheit dazu (siehe dazu: Link). |
In den letzten zwei Tagen mussten wir uns erst einmal von dem ganzen Vorbereitungsstress erholen und beschlossen, ein Auto zu mieten und unseren Freunden, den Pinguinen einen Besuch abzustatten. Außerdem planten wir eine kleine Wanderung auf der Isla Riesco, nordwestlich von Punta Arenas. Am Mittwoch früh war Rokos der erste auf den Beinen und holte den Mietwagen ab. Durch einen günstigen Umstand bekamen wir nicht den bestellten Wagen der Kategorie „Mini“ als 2-Türer, sondern eine etwas größere Schüssel mit 4 Türen. Trotzdem hatten wir zu tun, die Rucksäcke und das Kamerazeug hinein zu bekommen. Zuerst fuhren wir gen Norden und verpassten beim ersten Anlauf den Abzweig zu den „Pingüinos“. Nach 38 km Schotterpiste erreichten wir unsere gefiederten Freunde, die sich hier ohne Schnee und Eis durchaus zufrieden gaben. Die meisten waren die ganze Zeit beschäftigt und warteten nicht wie im heimischen Zoo den ganzen Tag auf den Bus. Danach ging es die Schotterpiste zurück und weiter Richtung Norden zur Fähre auf die Isla Riesco. Die auch hier gefühlt 100 km lange Schotterstraße führte durch eine regelrechte Einöde, die aber immerhin das ein oder andere Tier (Flamingos, Laufvögel) zu bieten hatte. Auf der Isla Riesco angekommen, fuhren wir die Straße an der Nordküste so weit es unser Leihwagen aushielt. Danach ging es mit Rucksäcken weiter. Auf dem Weg zu der letzten Estancia (Ranch) hörten wir merkwürdige Laute über den Hügel zu uns schallen. Je nach Teammitglied handelte es sich dabei um unterschedliche Geräuschverursacher. Kettensägenlärm war wohl das Exotischste. Statt dessen handelte es sich aber um eine Herde eingepferchte Rinder, die von ihren Kälbchen getrennt und kurz zuvor mit Brandzeichen versehen wurden waren. Nachdem wir die Estancia passiert hatten, lernten wir unsere vierbeinigen Freunde das zweite Mal in diesem Urlaub schätzen. Diesmal nicht auf dem Teller als saftiges Steak sondern als Wegbereiter durch kniehohes Dornengestrüpp. Ziel des kleinen Unternehmens war eine Halbinsel mit einer traumhaft schönen Bucht und einem mindestens ***Zeltplatz. Nachdem am Abend noch eine Testmahlzeit eingenommen und die letzten Fotoexperimente gemacht wurden ging es bei recht starkem Wind in dem Schlafsack, um am nächsten Morgen fit für eine Wanderung zu sein. Die Wanderung ging etwa 1 1⁄2 Stunden über Wiesen, Hügel, durch Gestrüpp und am Strand entlang zu einer verfallenen kleinen Holzhütte. Hier konnten wir eine Blick auf unsere kleine Halbinsel werfen und die Natur genießen. Rokos, der nicht mitgekommen war und die ganze Zeit fotografiert hatte, lag, als wir zurück kamen im Schlafsack vorm Zelt, trank genüsslich Wein und las. Die vorgegebene Fotoaktivität wird soeben überprüft! Nachdem wir wieder alles eingepackt hatten ging es zurück zum Auto. Rokos fuhr, da sich kein anderer bereit erklärte und lenkte die Kiste sicher über die teilweise etwas unebene, fast zur Dakar Rallye gehörende Piste zur Fähre. Zurück in Punta Arenas luden wir die Sachen aus und fuhren zum Großeinkauf in die Zona Franca. |
Vor mittlerweile 3 Tagen, am 5.1. wurden Robert, Franz und ich inklusive 185 kg Gepäck vom privaten Shuttleservice aus der Zwickauer Straße zum Dresdner Hauptbahnhof gebracht. Auf Gleis 2 fuhr der IC zum Frankfurter Flughafen. Im Zug nochmal die rhetorische Frage von mir: Alle die Reisepässe dabei? Franz schlief augenblicklich das Gesicht ein — wirklich glauben konnte es niemand, aber er hatte tatsächlich seinen Reisepass beim letzten Besuch in München liegen gelassen. Nach einer kurzen Zeit der Schockstarre begann die fieberhafte Suche nach Auswegen aus der vertrackten Situation. Es stellte sich schließlich heraus, dass Behörden tatsächlich auch schnell und flelxibel reagieren können, wenn Not am Mann ist. Die Frankfurter Meldestelle erklärte sich bereit einen vorläufigen Reisepass auszustellen. Mehrere Telefonate und ein kurzes Fotoshooting im Naumburger Bahnhof während eines Aufenthaltes, erfüllten alle notwendigen Voraussetzungen. Und so raste Franz, in Frankfurt angekommen, im Taxi zur Meldestelle, anschließend weiter zum Flughafen und erreichte diesen zum Glück rechtzeitig — dem Grenzübertritt stand nun nichts mehr im Wege. |
Ab Frankfurt ging es dann mit Knox weiter und nach einer aufwendigen Umpackaktion überschritt auch keines der Gepäckstücke mehr die vorgegebenen 23 kg. In Santiago de Chile am Tag darauf angekommen, trafen wir auf Micha und verbrandten uns dann auf der Sonnenterasse erst einmal kräftig den Pelz. Anschließend ereilte uns dann die nächste Schrecksekunde: der Flug nach Punta Arenas wurde auf unbegrenzte Zeit verschoben. Auf halber Strecke wollte einer der zahlreichen chilenischen Vulkane gerade etwas Lava loswerden — wir befürchteten schon ein mehrtätiges Flugverbot und überlegten uns alternative Bergziele in Chile. Aber auch diesmal ging es glimpflich aus, schon nach einer Stunde ging es weiter, der Vulkan hatte wohl doch nicht so viel zu sagen. Ankunft in Punta Arenas nach ca. 40 Stunden Reise: 20 Uhr Ortszeit — endlich geschafft. Zwei große Taxis brachten uns und ca. 270 kg Ausrüstung zu unserem Hostel. Dieses kann man wohl am besten mit dem Adjektiv „bunt“ beschreiben. Nach der Verpflegung der letzten Stunden bestehend aus Flugzeugkost und leckerem Stollen von Franz‘ Mutter, freuten sich die Jungs nun endlich auf ein ordentliches Steak, während ich mich abmühte das einzige vegetarische Gericht auf der Karte zu finden: Spaghetti mit Champignons. Vielleicht überdenke ich meine Grundsätze doch nochmal… |