Die erfolgreiche Expedition Monte Buckland 2012 führte uns im Januar/Februar in eine der unwirtlichsten und am wenigsten erforschten Gebirgsketten der Erde, die Cordillera Darwin. Diese ist Teil des feuerländischen Archipels am Südzipfel des südamerikanischen Kontinents. Ihre höchsten Erhebungen, mit dem Monte Darwin* (2.469 m) als höchsten Gipfel, liegen im östlichen Teil der Bergkette und sind in den 60er und 70er Jahren erstbestiegen worden. Aufgrund der besseren Erreichbarkeit vom Ausgangspunkt Ushuaia (Argentinien) bzw. Bahía Yendegaia (Chile) wird dieser Teil vergleichsweise oft von Expeditionen angesteuert. Der westliche Teil der Cordillera ist demgegenüber bisher kaum erforscht. Der Hauptgipfel des Monte Sarmiento, dominierender Berg mit 2.246 m Höhe, ist bisher erst ein einziges Mal im Jahr 1956 (Maffei, Mauri) bestiegen worden. |
Das primäre Ziel unserer Expedition war es, den Monte Buckland (1.746 m) zu bezwingen, welcher dem Monte Sarmiento gegenüberliegend auf einer nur mit dem Boot erreichbaren abgelegenen Halbinsel trohnt. Dieser Berg wurde 1966 durch eine italiensche Expedition erstbestiegen, angeführt von Carlo Mauri, aber seither nie wieder besucht. Neben der Zweitbesteigung dieses faszinierenden Berges über eine neue Nordwand-Route gelangen unserem Team außerdem noch zwei weitere Erstbesteigungen an kleineren Gipfeln. Das beständig unbeständige Wetter war sicherlich, neben der komplexen Logistik und der Orientierung in dem weitgehend unbekannten Gelände, die größte Herausforderung für die Expedition. * Es existiert auch die Bezeichnung Monte Shipton, zu Ehren des Erstbesteigers. Die Höhe des Berges variiert zwischen 2.469 m und 2.580 m. |
Bis jetzt glaubten wir, die kurze Besteigungsgeschichte des Monte Buckland sei erzählt – ein Irrtum, wie sich nun herausstellte! Nachforschungen im Rahmen von Camilo Rada´s Projekt „Uncharted — Cordillera Darwin“ ergaben, dass es bereits vor unserer Expedition einen bisher unveröffentlichten Versuch an Buckland´s jungfräulicher Nordseite gab. Ein Team namhafter US-Kletterveteranen, Jim Wickwire (*1940), John Roskelley (*1948) und Chris Kopczynski (*1948) – jeder von ihnen mit einer Liste bemerkenswerter Besteigungen an den höchsten Bergen der Welt im Gepäck – starteten im späten Südsommer des Jahres 2000 ihre kleine Expedition. Bereits 5 Jahre zuvor organisierte Wickwire eine erfolgreiche Expedition zum Monte Sarmiento, wo Roskelley, Stephen Venables (GB) und Tim Macartney-Snape (AUS) die zweite Begehung (Neutour) des Westgipfels gelang. Wie uns Jim Wickwire nun erzählte, gelangte das Team damals per Polizeihubschrauber direkt zum westlichen Fuß des Monte Buckland. Die geplante Route sollte über Rampen und Bänder durch die untere Nordwestwand führen hinauf zu einem Hängegletscher, und von dort in die markante Scharte im Nordgrat (dort wo wir unser Hochlager bezogen). Von dort aus hofften sie, den von unten nicht einsehbaren Zugang zur oberen Gipfelwand zu finden, welche sie wiederum vom Basecamp aus gut einsehen konnten: ”… it was very steep – easily 65 degrees, if not more, for the upper section to the summit ridge”. |
Wie sich bei unserer Expedition herausstellte, eine sehr treffende Einschätzung! Jedoch erschwerte dem Team bereits im unteren Wandteil der schlechte, glitschige Fels und später hartes Gletschereis den Aufstieg. Letztlich mussten sie ihren Versuch noch vor Erreichen der Scharte etwa auf Höhe des Hängegletschers aufgeben (ca. 950 m). Ein erhoffter zweiter Versuch wurde durch schlechtes Wetter und Zeitmangel verhindert. Nach der Expedition fassten sie ihre Erfahrungen wie folgt zusammen: “It is no surprise that this mountain has been climbed only once.” Dank Camilo´s Detektivarbeit und Jim´s Bericht zählt die Buckland-Chronik nun insgesamt drei Expeditionen: die Erstbesteigung 1966 via SW, der Versuch 2000 via NW und schließlich die Zweitbesteigung 2012 via NO. Die Zeitreihe der folgenden Fotos zeigt eindrücklich, wie sich das Gesicht des Berges verändert. Gletscher gehen merklich zurück, Eisrinnen mutieren zu Mixed-Herausforderungen, Eiswände offenbaren zunehmend den darunter liegenden (schlechten) Fels – alles Dinge, die für eine Besteigung erhöhte Schwierigkeiten bei reduzierter Sicherheit bedeuten. So werden wahrscheinlich in Zukunft Winterbedingungen jene sein, die am besten geeignet sind, um Plüschow´s Königin des Feuerlandes besteigen zu können. |
Gigi Alippi, der bis dahin letzte noch lebende Teilnehmer an der Erstbesteigung des Monte Buckland im Jahre 1966, ist vergangene Woche im Alter von 80 Jahren in seiner Heimat Lecco (Italien) gestorben. Damit verliert die Ragni di Lecco einen ihrer prägendsten Protagonisten und die Welt des Alpinismus einen Pionier des Expeditionsbergsteigens. Zu seinen herausragenden Leistungen zählen – neben der Buckland-Expedition – die Teilnahmen an Erstbesteigungen wie die der gigantischen Südwand des Mount McKinley in Alaska (Cassin Ridge, 1961), der endlos steilen Eisflanke des Jirishanca in Peru (Westwand, 1969), des Huantsan-SW Gipfels ebenfalls in Peru (1972) sowie der lang umkämpften Cerro Torre-Westand in Patagonien (1974). Seine Seilpartner dabei waren u.a. die legendären Carlo Mauri, Casimiro Ferrari und Riccardo Cassin. Nach weiteren Expedition ins Himalaya (z.B. Versuch in der Lhotse-Südwand, 1975) war sein letzter großer Erfolg wiederum in der Cordillera Darwin: die Erstbesteigung des Westgipfels des Monte Sarmiento 1986. |
Ein wenig überraschend bekamen wir heute die Nachricht, dass unsere Expedition zum Monte Buckland im letzten Jahr auf der „Super Big List“ des Piolet d’Or 2013 gelandet ist. Der Piolet d’Or ist quasi der Oscar des Bergsteigens und wird seit 21 Jahren von der französischen Zeitschrift Montagne Magazine in Zusammenarbeit mit dem französischen |
Extremalpinistenverband Groupe de Haute Montagne (GHM) vergeben. Mit dieser Auszeichnung sollen außergewöhnliche Leistungen im extremen Bergsport geehrt werden. Wenn man die Liste der 72 vorgeschlagenen Touren betrachtet, rechnen wir uns keine Chancen auf den Preis aus, aber stolz wie Bolle sind wir trotzdem!! |